Wintersturm
Ein langer Grat!


Im Morgengrauen, im Knistern des Feuers -
Du folgst der Stimme des Abenteuers.
Ein stilles Pfeifen im eisigen Wind -
es kommt von dort, wo die Berge sind.
Im Rauschen der Bäche, Bäume und Wiesen
bist du ein Zwerg nur unter Riesen.

Du schaust hinein ins schwarze Licht.
Du spürst den leisen Nieselregen.
Es ist der Sturm, der zu dir spricht.
Er ist dir nah auf allen Wegen.

Du hörst in der Ferne das Rufen des Donners.
Du sehnst dich nach Wärme, nach den Farben des Sommers.
Im Grollen des Echos bist du allein
mit Felsen und Eis, mit Schnee und Gestein.
Ein Poltern im dunklen Moränenwall
erstickt deiner Worte Widerhall.

Das Flüstern der Wellen im winzigen See,
das leise Knacken im ewigen Eis,
das Knirschen der Schritte im ersten Schnee,
ein Ton ohne Klang im endlosen Weiss.

Der erste Glanz am frühen Morgen
schenkt dir ein Lächeln ohne Sorgen.
Du blickst auf eine Wolkenwand.
Sie greift nach dir, nach deiner Hand.
Du blickst hinab ins tiefe Tal.
Du blickst auf Steine ohne Zahl.

Schon klingt ein Brüllen dir im Ohr,
Schon zerrt der Sturm an deinem Arm.
Ein kalter Hauch kriecht dir empor.
Schon ist aus Eis, was einst war warm.

Ein schmaler Grat führt fort von hier.
Du siehst den Abgrund neben dir.
Wie willst du durch den Nebel schauen?
Wie kannst du diesem Weg vertrauen?
Die Steine leiten dich nach oben.
Hat der Fels dich je belogen?

Der Wintersturm wird dir nicht weichen.
Doch grüßt er dich an deinem Ziel
mit einem Anblick ohnegleichen:
Der Schneekristalle Liebesspiel.

Sie können dich spüren, sie können dich sehen.
Sie können dich hören, du wirst sie verstehen.
Sie dringen zu dir in diesem Moment:
die Stimmen all derer, die keiner mehr kennt.
Noch lange folgst du nun dem Grat,
ohne Spuren und ohne Pfad.

Ein First aus Eis, ein Felsenturm.
Nur Stille wagt sich auszubreiten.
Die Welt ist taub im Wintersturm
und ohne Halt zu beiden Seiten.

Ein letzter Schritt, der Weg ist dein.
Er bringt dich auf den Thron aus Stein.
Wie konntest du hierher gelangen?
Warum nur bist du hier gegangen,
wo keiner dich noch hören mag?
Warum an diesem kalten Tag?

Sie liegen vor dir: grau in grau.
Es sind die Steine, die dich tragen.
Die Antwort kennen sie genau.
Doch sie werden es nicht sagen...



(c) 2008